1,5 vs. 2°C Erderhitzung – warum ein halbes Grad wirklich so viel ausmacht

Woran denkst du als Erstes, wenn du das Wort „Korallenriff“ hörst? Die Antwort auf diese Frage kann ganz unterschiedlich ausfallen.

Vielleicht hattest du schon mal das Glück, ein Korallenriff mit eigenen Augen zu sehen. Vielleicht denkst du auch zuerst an den Film „Findet Nemo“. Fast jeder aber dürfte irgendein Bild vor Augen haben und sich an die Freude und das Staunen erinnern, das man beim Anblick des bunten unterseeischen Durcheinanders empfindet. Für fast jeden dürfte es deshalb auch einen ganz persönlichen Verlust bedeuten, wenn es diese Naturwunder bald nicht mehr gibt.

Die Ursache für ihr Verschwinden ist die Klimakrise. Wenn der aktuelle Trend sich fortsetzt, wird die Erderhitzung noch vor 2040 auf 1,5°C ansteigen, und dann werden 70 bis 90 Prozent der Korallenriffe absterben. Wenn die Erderhitzung 2°C erreichen sollte, wird es so gut wie gar keine Korallenriffe mehr geben – 98 bis 99 Prozent werden bei diesen Temperaturen nicht überleben können. [1]

Der vermeintlich kleine Unterschied zwischen 1,5 und 2°C hat aber auch in vielen anderen Bereichen dramatische Auswirkungen. Kannst du dir zum Beispiel den Nordpol komplett ohne Schnee und Eis vorstellen? Bei einer Erderhitzung von 1,5°C werden wir das alle 40 Jahre erleben, bei 2°C sogar alle drei bis fünf Jahre. [2]

Und es sind nicht nur die schönen Dinge, die weniger werden. Es sind auch die schlimmen Dinge, die mehr werden. Eine Sturmflut, wie man sie in Cuxhaven an der Nordsee früher alle 500 Jahre erwartet hätte, würde bei 1,5°C Erderhitzung alle 100 Jahre auftreten und bei 2°C sogar alle 33 Jahre – also zwei bis drei Mal in deinem Leben. Und eine Hitzewelle wie im Jahr 2003, die 70.000 Todesfälle in Europa verursachte, könnte in Zukunft jedes Jahr auftreten. Auch das ist ein Unterschied, der für jeden Einzelnen hier in Europa spürbar sein wird.

Dürren und Hungersnöte werden Auswirkungen auf die weltpolitische Lage und damit auf jedes einzelne Individuum haben. In Afrika, südlich der Sahara, in Südostasien und Lateinamerika werden die Erträge an Obst und Gemüse durch die Erderhitzung stark zurückgehen.
Außerdem werden vor allem in den Trockengebieten vermutlich die Probleme bei der Wasserversorgung schon ab 1,5° kritisch zunehmen, doppelt so stark bei 2°C. [3]            

Nicht zu unterschätzen ist aber auch die psychische Belastung im Hier und Jetzt. Gerade unsere Kinder wachsen schließlich mit der bedrückenden Perspektive auf, dass noch zu ihren Lebzeiten sogenannte Kipppunkte überschritten werden könnten. Die Erderhitzung würde sich dadurch von selbst immer weiter aufschaukeln – zum Beispiel dadurch, dass die normalerweise dauerhaft gefrorenen Böden im Norden unseres Planeten auftauen und immer größere Mengen des Treibhausgases Methan freisetzen. [4] Die Folgen, warnen Wissenschaftler, wären fatal: „Das Leben auf der Erde kann sich von einer drastischen Klimaveränderung erholen, indem es sich zu neuen Arten entwickelt und neue Ökosysteme schafft … Der Mensch nicht.“ [5]

Aber es gibt zum Glück auch einen Silberstreif am Horizont. Die Behauptung, es wäre zu teuer, das Klima zu retten, ist nämlich endgültig widerlegt. Die erneuerbaren Energien sind inzwischen fast überall auf der Welt die günstigste Form der Stromerzeugung [6]. Es gibt also eigentlich keinen Grund mehr, noch weiter fossile Brennstoffe zu verfeuern. Wir könnten eine neue Energieinfrastruktur auf der Basis von fossilfreiem Strom bauen, viele Arbeitsplätze in Deutschland schaffen und dabei noch Geld sparen. Wenn wir das nicht tun, wird aus den Prognosen der Klimawissenschaftler schon bald Realität – und wir werden am eigenen Leib erfahren, welche große Wirkung der kleine Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad haben kann.


  1. https://www.helmholtz-klima.de/faq/macht-ein-halbes-grad-einen-unterschied
  2. https://www.klimafakten.de/meldung/neue-infografik-macht-ein-halbes-grad-weniger-erderwaermung-einen-unterschied
  3. https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/2-Grad-Ziel
  4. https://www.quarks.de/umwelt/klimawandel/diese-5-kippelemente-beschleunigen-die-klimaerwaermung/
  5. https://www.theguardian.com/environment/2021/jun/23/climate-change-dangerous-thresholds-un-report
  6. https://www.carbonbrief.org/solar-is-now-cheapest-electricity-in-history-confirms-iea
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